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Prinz Rupert (1619-1682) und die Gründung der Hudson's Bay Company vor 350 Jahren

Die Gründung der Hudson's Bay Company vor genau 350 Jahren, am 2. Mai 1670, bietet die schöne Gelegenheit, über den innerböhmischen Tellerrand hinweg die weltweite Ausstrahlung der Reformation in Böhmen zu verfolgen.

Bekanntlich sind gewachsene geschichtliche Traditionen immer noch das beste Mittel gegen  Populismus jeglicher Art, sowie gegen Fremdenfeindlichkeit gegenüber nationalen religiösen Minderheiten, gerade in den Reihen der evangelischen Kirche.

So gedenken wir in diesen Tagen in transatlantischer Verbundenheit eines Mannes,  „ a German Vagabund“ und „Prince of Fortune,“ „a wanderer, over the course of his lifetime, he would become a soldier, an artist, a general, a privateer, and a scientist“ wie ihn ein englischer Biograph einmal charakterisierte.

Als sein Vater, der pfälzische Kurfürst Friedrich V. (1596-1632) am 27.8.1619 in Prag von den böhmischen Ständen zum König der Länder der Böhmischen Krone  gewählt wird, beginnt damit für manche Historiker das europäische Drama des 30-jährigen Krieges. Einen Tag später, am 28.8.1619, wird  der bisherige Böhmische König, Ferdinand II.,  in Frankfurt zum deutschen Kaiser  gewählt. Danach zieht der Habsburger zu Verhandlungen zu Herzog Maximilian von Bayern, aus dieser Begegnung entsteht der Münchner Vertrag vom 8.10.1619, der Maximilian im Falle eines Sieges über Friedrich für Bayern die Kurwürde und die Oberpfalz einbringen sollte.

Am 31.10 1619 zieht Friedrich mit nahezu 100 Wagen und 568 Personen  in seiner neuen Hauptstadt Prag ein, am 17.12.1619 gebar ihm seine Frau Elisabeth Stuart (1596-1662) ihr viertes Kind. Die Taufe gerät zu einem berauschenden Fest. Als Taufpaten fungierten Herzog Friedrich von Württemberg (1582-1628) und der persönlich nicht anwesende Bethlen Gabor. 

Exkurs:

Bethlen Gabor (um 1580-1629), dieser siebenbürgische Fürst (1613-1629), verheiratet mit Katharina von Brandenburg (von 1626-1629), war 1619-1626 Anführer eines antihabsburgischen Aufstandes im Königreich Ungarn und somit eine grosse ausländische Hoffnung des deutschen Protestantismus im 30-jährigen Krieg.  Nachdem sich Gabriel Bathory (1589-1613) den Habsburgern annähert, flieht Bethlen zu den Türken und kehrt 1613 mit einem türkischen Heer zurück und wird vom Landtag zu Klausenburg /rum. Cluj-Napoca zum Fürsten von Siebenbürgen gewählt.  1619 erobert er Kaschau/slo. Košice  und in Folge die gesamte heutige Slowakei.  Im Januar 1620 verbündet er sich mit den von Heinrich Thun angeführten Böhmischen Truppen.  Der Versuch, Wien zu erobern scheitert an den von Graf Buquoy  geführten kaiserlichen Truppen. Trotzdem wird Bethlen auf dem Landtag zu Neusohl /rum. Banská Bystrica  am 25. 8. 1620 wiederum mit türkischer Zustimmung zum König von Ungarn  gewählt. Er schickt Truppen nach Prag, die allerdings erst nach der verlorenen Schlacht am Weissen Berg ankommen. Bethlen selbst verliert nach 1621 weite Gebiete Ungarns im Frieden von Nikolsburg/tschech. Mikulov und muss auf die ungarische Krone verzichten, die Evangelischen in Mähren und Schlesien hoffen weiterhin auf ihn.

Das Kind wird auf den Namen Rupert getauft, den Königsnamen der pfälzischen Wittelsbacher,  als zukünftiger Fürst der Lausitz, von 1367 bis 1635 Nebenland der Böhmischen Krone. Doch die Geschichte verlief anders. Innerhalb von nur zwei Stunden, am 8. 11. 1620 sollten sich diese Pläne in Luft auflösen. Vor den Toren der Stadt, am Weissen Berg verlor sein Vater sein Königreich. Der Hofstaat  hätte das schreiende Kind beinahe im allgemeinen überstürzten Aufbruch vergessen.

Seine ersten Jahre führen ihn als Flüchtlingskind durch das Europa des 30-jährigen Krieges. Als sein Vater all seiner Titel für verlustig erklärt und die Reichsacht am 29.1.1621  über ihn ausgesprochen wird, gewährt sein Onkel, Moritz von Oranien (1567-1625) Aufenthalt im holländisch Exil. Zunächst wohnt die Familie in Den Haag, im Waasener Hof, später wird das Sommerschloss in Rhenen als Residenz umgebaut. Elisabeth Stuart gebar ihrem Mann insgesamt 12 Kinder, erzogen im nahen Leiden.

Es war wohl diese Erziehung, die den Grundstein für den aussergewöhnlichen Lebensweg legt. Seine Sprachkenntnisse verhalfen Rupert immer wieder, sich aus kniffligen Situationen zu befreien. Bereits mit 8 Jahren erlernt er das Handwerk des Soldaten. Die religiöse Erziehung geschieht im calvinistischen Glaubenssystem, dazu klassische Bildung, eine umfassende musische Erziehung, Mathematik und Recht. Beim Maler Gerrit van Honthorst (1592-1656), dem Familienportraitisten, lernt er malen, eine Fähigkeit, die er  später für Zeichnungen von militärischen Bauwerken verwenden sollte.

Vor allem aber war Leiden eine Stadt der Seefahrer, das sein Interesse für die Seefahrt weckt,  und nicht zufällig hatten sich hier im Jahre 1620 englische puritanische Exulanten auf den Weg in die neue Welt gemacht, die Pilgerväter. Trotzdem war die Ausgangsposition dieses  temperamentvollen Jünglings als Viertgeborener eher ungünstig, der Vater starb als Gebannter, als Rupert 13 Jahre alt war, gerade als durch den Schwedenkönig Gustav Adolf (1594-1631) Hoffnung für die evangelische Sache aufkam.

Nach den ersten militärischen  Einsätzen folgt er 1636 seinem Bruder an den Englischen Hof und es beginnt sein lebenslanger Einsatz für das Schicksal der Stuarts. Dort sollte er so ziemlich alles werden, was man sich vorstellen kann: vom Pirat zum Admiral.

Zwischendurch verbringt er als Gefangener des Kaisers seine Zeit im Linzer Schloss, nach seiner Freilassung kämpft Rupert im Englischen Bürgerkrieg (1641-1649 ) auf Seiten seines König Karl I. (1600-1649). Als Rupert seinem Onkel  anvertraut, er halte die Sache der Royalisten für militärisch aussichtslos, wird er entlassen. Trotzdem erhält Rupert am Ende des Bürgerkriegs die Verfügungsgewalt über Schiffe der königlichen Flotte. Waghalsig segelt er damit von Irland ins Mittelmeer, lebt vom Schiffskapern und wird zum Piraten in der Karibik. 1657 findet man ihn vorübergehend in Diensten des österreichischen Kaisers.

Doch nach der Restauration der Stuarts1660 geht Rupert wieder zurück auf die Insel und kämpft als stellvertretender Lord High Admiral zu Lande und Lord High Admiral der Flotte in zweiten (1665-1667) und dritten englisch-niederländischen Krieg (1672-1674).

Bereits 1636/37 hatte er Träume von einer Expedition nach Madagaskar, die seine Mutter mit Don Quichotteallüren abtut.  Auch bei seinem Abenteuer und kurzzeitiger Visite an der Küste Nordafrikas am Gambia Fluss im Jahre 1652 hatte er sich für wirtschaftliche Dinge wie den Sklavenhandel sehr interessiert gezeigt, 1662 hatte der König der „Company of the Royal Adventures of England trading into Africa“ ein Privileg erteilt, an dem Rupert beteiligt ist.

Die französischen Pelzhändler Radisson und Des Groseilliers hatte zwischen 1654 und 1660 drei grosse Expeditionen Richtung Hudson Bay unternommen, können aber mit ihren Gedanken am französischen Hof nichts erreichen. 1667 wird Rupert aufmerksam auf die beiden Abenteurer und es gelingt ihm, den Englischen König  zu gewinnen. Am 2.Mai 1670 wird die Gründungsurkunde der „Governor and Company of Adventurers of England trading into Hudson´s Bay“ mit einem Privileg des Königs gegründet.

Es ist damit das älteste Unternehmen in Kanada. Das Hauptquartier befand sich  in York Factory an der Hudson Bay. Aus der ursprünglichen Pelzhandelsstation ist heutzutage ein viel besuchter Nationalpark entstanden. Rupertsland wurde der Einzugsbereich der HSB genannt, er betrug teilweise ein drittel der Fläche Kanadas, 1889 wurden die Gebiete an das Dominion Kanada 1889 verkauft. Noch heute bestehen die Warenhäuser der Marke Hudson's Bay, 2015 wurde in Deutschland die Warenhauskette Kaufhof übernommen.

Bis zu seinem Tode im Jahre 1682 kümmert sich Rupert um die Belange der Hudson's Bay Company. Ihm zu Ehren wurden in Kanada der Rupert River das Fort Rupert und die Stadt Prince Rupert benannt.

Rupert steht aber nicht nur am Beginn der Geschichte Kanadas, sein Name ist auch verbunden mit dem Aufstieg Englands zur führenden Seemacht.

1668 ernennt ihn König Karl II. (1630-1685) zum Wachtmeister von Schloss Windsor. In den 70 -er Jahren des 17. Jahrhunderts beginnt der König unter seiner Anleitung am Umbau von Schloss Windsor, so wir wir es heutzutage kennen. Die Königlichen Kunstsammlungen von Schloss Windsor bewahren bis heute 73 Bildnisse von Prinz Rupert, die online angesehen werden können.  

Horst Schinzel

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Rupert v. d. Pfalz gemalt von Gerard van Honthorst / Public Domain bereitgestellt von wikimedia.org